logo caritas

ALTRUJA-BUTTON-DY9P

Caritas und AWO veranstalteten Runden Tisch der sozialen Berufe – Es war ein intensiver und erhellender Vortrag, der beim diesjährigen Runden Tisch der sozialen Berufe gehalten wurde. Mit Christina Freund aus München konnten die Erziehungs- und die Suchtberatung der Caritas sowie der Sozialpsychiatrische Dienst der AWO, die den Runden Tisch wiederum veranstalteten, eine sehr sachkundige und lebendig vermittelnde Fachfrau präsentieren. Ihr Thema: Aggression, Gewalt und Trauma - Sind Menschen grundlos gewalttätig?

Die Referentin war nach ihrem Studium der Sozialen Arbeit in der Beratung, Begleitung und Betreuung krebskranker und anderer schwerstkranker und ihrer Angehörigen tätig. Danach widmete sie sich der Aufstellungsarbeit und arbeitet seither mit Gruppen sowie in der Einzelberatung in eigener Praxis. Seit 2012 ist sie als Lehrbeauftragte an der Katholischen Stiftungshochschule München tätig. Sie bietet dort unter anderem Lehrveranstaltungen über sexuelle Gewalt sowie Traumaberatung und -pädagogik an.

Christina Freund eröffnete ihren Vortrag mit dem Lied „I don‘t like Mondays“ aus dem Jahr 1979. Es beschreibt den Amoklauf an einer Schule an einem Montag durch Brenda Ann Spencer, damals 16 Jahre alt. Sie tötete mit 40 Schüssen von ihrem Fenster aus zwei Menschen und verletzte neun. Als Grund nannte sie, dass ihr langweilig gewesen sei, sie möge keine Montage. Erst 2001 beim zweiten Gnadengesuch gab sie an, zur Tatzeit unter dem Einfluss von Alkohol und Drogen gestanden und unter Halluzinationen gelitten zu haben, und sie berichtete erstmals vom sexueller Missbrauch durch den Vater. Aus dieser Beschreibung leitete die Referentin die Grundhaltung der Traumapädagogik ab: Es gibt Gründe, warum sich Menschen so verhalten, wie sie sich verhalten, warum sie sich so fühlen, wie sie sich fühlen und warum sie so denken, wie sie denken. Auch wenn diese Gründe unverständlich, nicht nachvollziehbar, nicht akzeptabel sind. Das „So sein“ eines Menschen wird erst verstehbar, wenn wir seine individuellen Lebenserfahrungen kennen. Erst dann können wir Frage beantworten wie: Warum halten sich manche Menschen nicht an Regeln und Vorschriften? Warum nicht, trotz aller Strafen, Probleme, Einschränkungen? Warum nicht, trotz aller Einsicht und Vorsätze?

Hier spielen traumatische Lebensereignisse eine große Rolle. Ein Psychotrauma ist ein Ereignis, das ein Mensch mit seinen psychischen Kapazitäten nicht bewältigen kann, wobei es objektive und subjektive Komponenten gibt. Missachtung, Verachtung und Ablehnung sind Auslöser für traumatische Erlebnisse, ebenso emotionale und körperliche Vernachlässigung oder auch emotionale, körperliche und sexuelle Gewalt bzw. Mord- und Abtreibungsversuche. Je jünger ein Mensch, je häufiger die Taten vollzogen werden, je näher der oder die Täter zum Opfer stehen, desto gravierender sind die Folgen.

Die Psyche des Menschen ist fähig, die Realität wahrzunehmen und zu verarbeiten. Aber sie ist nicht geschaffen, derartige Extremereignisse zu erleben und damit weiterzuleben. Daher greift sie zum Beispiel zum Überlebensmechanismus der Dissoziation. Das, was lebensgefährlich ist, wird nicht normal verarbeitet und gespeichert, sondern in unzusammenhängende Einzelteile fragmentiert und aus dem Bewusstsein gehalten. Der betroffene Mensch hat dann tatsächlich bestimmte Zeiten, die ihm fehlen, an die keinerlei Erinnerung besteht.

Wird ein Gewalttrauma später erneut angesprochen, also „getriggert“, so reagiert ein Opfer entweder im „Gewande des Opfers“ und fällt in die damalige Haltung zurück, verletzt sich, greift zu gefährlichen Drogen, trinkt ungesunde Mengen an Alkohol, treibt in übertriebenem Maße Sport, richtet die damalige Täterenergie also gegen sich selbst. Oder das Opfer reagiert im „Gewande des Täters“ und richtet die Energie nach außen, gegen andere, wird selbst Täter. Ein Ausstieg ist erst dann möglich, wenn Tat, Täter, Opfer und Folgen klar benannt werden. Hier kann die Psychotraumatherapie ansetzen.

Mit einem Beispiel aus ihrer Praxis machte Christina Freund das vorher gesagte konkret: Tim (12 Jahre) war erheblich verhaltensauffällig. Erst als die Hintergründe, die Ursachen seines Tuns in der Therapie bekannt wurden, konnten Wege der Besserung gefunden werden. Hier zeigte sich, dass Caritas und AWO nicht nur eine Dozentin, sondern eine erfahrene Praktikerin der sozialen Arbeit eingeladen hatten.

Wie immer hatte der Runde Tisch der sozialen Berufe auch eine große Bedeutung im gegenseitigen Kennenlernen, das in der Pause bei Häppchen und Saft sowie im Anschluss an die Veranstaltung nicht zu kurz kam. Die Verantwortlichen aus Caritas und AWO planen schon heute, auch 2019 die gute Tradition der Runden Tische in geeigneter Form fortzuführen. Interessierte Fachleute, die bisher noch nicht im Verteiler der Veranstalter stehen, können sich wenden an: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

­